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Rumänien-Blog


Ring um die Hauptstadt: der Kreis Ilfov

Die in den letzten Monaten bereisten Kreise der Großen Walachei (rumänisch: Muntenia) umringen deren Zentrum Bukarest (rumänisch: București). Einen besonders engen Ring um die Stadt bildet der Kreis Ilfov der die Hauptstadt buchstäblich umkreist, und dessen Sitz sich in der Metropole befindet, obwohl diese selbst nicht dazugehört. Ilfov ist der kleinste der gesamt 41 rumänischen Kreise.

Suburbane Siedlungen in der Umgebung einer Stadt werden als Agglomerationsgürtel bezeichnet. Umgangssprachlich wird häufig die Bezeichnung Speckgürtel verwendet, da sich in diesem gerne einkommensstarke Haushalte niederlassen, welche von der Nähe zur Großstadt profitieren. Da Rumänien zu den ärmsten Ländern der EU zählt, ist der Begriff Speck hier sehr kritisch zu sehen. In puncto Einwohnerzahlen ist Ilfov den anderen Kreisen voraus: Zwischen den Volkszählungen 2002 und 2011 wuchs die Bevölkerung um 23 %, während die Zahlen in allen anderen sanken. Auch hinsichtlich Abwanderung belegt Rumänien einen statistischen Spitzenplatz. Aus keinem anderen Land der EU zogen so viele Menschen weg, circa 20 % der Rumänen leben und arbeiten im Ausland. Acht der gesamt 104 Orte des Kreises (rumänisch: județ) sind Städte, die größte ist Voluntari, mit über 40.000 Einwohnern am nordöstlichen Rand Bukarest gelegen. Ihr Name ist Reminiszenz an die Rumänen, die 1916 bis 1918 ihre Heimat Siebenbürgen (rumänisch: transilvania) verließen, um in der rumänischen Armee für deren Anschluss an Rumänien zu kämpfen. So wurde Voluntari als Stadt der Freiwilligen nach dem Ersten Weltkrieg durch den Zuzug von Veteranen gegründet. Buftea, ebenso nördlich der Hauptstadt gelegen, ist Sitz der größten Film- und TV-Produktionsfirma des Landes MediaPro Pictures und eines Palastes der Știrbei-Familie. Fürst Barbu Dimitrie Știrbei stammte aus einer Bojarenfamilie, war langjähriger Minister sowie letzter Herrscher des Fürstentums Walachei. Bragadiru, eine relativ junge Siedlung südöstlich Bukarests, wurde ab 1866 durch die Bierbrauerei des Unternehmers Dumitru Marinescu geprägt, der dieser den Namen des Ortes gab und selbst seinen eigenen Namen damit ergänzte. Er finanzierte den Bau von Rathaus, Schule und Kirche, von Wohnungen und Freizeiteinrichtungen – und ließ die erste Telefonleitung Rumäniens verlegen. Nach Verstaatlichung und späterer Revolution kam die Pleite, heute pendeln über 60 % der Arbeitnehmer nach Bukarest. Das Gebiet der Stadt Măgurele ist wiederum seit der Steinzeit besiedelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg stellte man zu Forschungszwecken am Ortsrand einen sowjetischen Kernreaktor auf, der bis 2002 in Betrieb war. Heute befindet sich ein Institut für Physik der Universität Bukarest in der Stadt. Nahe des Ortes Chiajna steht ein Kloster gleichen Namens (rumänisch: Mănăstirea Chiajna), genauer die Ruine der Klosterkirche. Fertig wurde der Bau 1790, benannt nach der Fürstin Chiajna. Wegen der beeindruckenden Maße vermuteten die Türken eine Festung und vernichteten die vermeintliche noch vor der Einweihung. Die Kirche überstand den Angriff. Der Legende nach warf man die Klosterglocke in den Fluss, aus dessen Tiefe man sie bis heute in Vollmondnächten läuten hört. Auch eine schöne Frau soll ab und an auf den Klostermauern spazieren gehen – der Geist der Fürstinnentochter Ancuța, die sich zu ihrem Nachteil geweigert hatte, den von ihrer Mutter ausgewählten Mann zu heiraten. Zur Sichtung weiterer Gespenster kommen Gerüchte über Personen, die dort verschwunden sein sollen.

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