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Rumänien-Blog


Knapp zurück im Blick: die junge Dobrogea

Im Jahr 1878 hatte die Dobrudscha bereits eine lange Historie hinter sich. Als nun zu Rumänien gehörige Dobrogea de Nord, die dem Staat seine einzige Landschaft am Meer schenkte, war sie jedoch noch jung. Blicken wir also nicht allzu weit zurück in der Zeitrechnung, zeichneten sich ab dem Wechsel der territorialen Zugehörigkeit schnell einige gravierende Umwälzungen ab.

Nachdem der nördliche Teil der Region Dobrudscha durch den Berliner Vertrag offiziell Rumänien zugesprochen worden war, tat dieses, was Staaten gerne tun: Man startete zügig mit der Kolonisation, also einer Siedlungspolitik im herrschaftsstaatlichen Interesse. Es verwundert nicht, dass im Zuge dieser in den nächsten Jahren sehr viele Türken das Land verließen, denn die Region gehörte nun nicht mehr zum Osmanischen Reich. Eine weitere Maßnahme des frisch regierenden Staates war die Verlegung der Hauptstadt von Tulcea nach Constanța. Die neue regionale Kapitale bescherte Rumänien seinen ersten eisfreien Schwarzmeerhafen. Es versteht sich von selbst, dass man den Ausbau dieses Neuerwerbs ebenso zügig anging wie die Kolonisierung. 1913 kam es zu einem Intermezzo in den territorialen Verhältnissen: Rumänien annektierte infolge des Zweiten Balkankriegs – der Erste hatte ein Jahr zuvor stattgefunden – den zu Bulgarien gehörigen südlichen Teil der Dobrudscha. Die bis dahin bulgarische Dobrudža gehörte nun als Dobrogea de Sud ebenso zum rumänischen Staatsgebiet. Doch da noch immer Zeiten herrschten, in denen das Hin- und Herschieben von Territorien zwischen Staaten nichts Außergewöhnliches war, wurde die Dobrogea de Sud 1940 wieder zur bulgarischen Dobrudža, was wiederum im Vertrag von Craiova, dem Ort seiner Unterzeichnung, fixiert wurde. Trotz der Auswanderung zahlreicher Türken lebte bis zum besagten Jahr 1940 in der Dobrogea ein gern so genanntes buntes Völkergemisch aus Rumänen, Bulgaren, Türken, Tataren, Lipowanern, Roma, Griechen und Deutschen zusammen. Letztere waren im 19. Jahrhundert in mehreren Wellen aus dem Süden des russischen Zarenreiches in die bevölkerungsarme Dobrudscha eingewandert. Vor allem waren dies Bauernfamilien aus den russischen Gouvernements Bessarabien und Cherson. Ökonomische Probleme und die Suche nach Land hatten zur Ausreise motiviert. Die ersten besagter Siedler kamen um 1840 und ließen sich im Dorf Akpunar nieder. Dieses war damals von Türken bewohnt, denn die Dobrudscha gehörte noch zum Osmanischen Reich. Somit verkörpern die Deutschen in der Dobrudscha eine historische Besonderheit als die einzige deutsche Volksgruppe, die zeitweise aus osmanischen Untertanen bestand. Die erste Einwanderungswelle hielt bis 1856 an, fast 20 Jahre später begann die zweite. Zu den Neuankömmlingen zählten auch zahlreiche schwäbische Einwanderer. Begründet war Welle zwei in der Aufhebung der Privilegien, die Kolonisten in Russland bis 1871 genossen hatten. Sie hielt bis 1883 an. Auch die dritte Einwanderungswoge 1890/91 hatte einen konkreten Grund zum Anlass: Die deutschen Schulen im Zarenreich waren vom Staat übernommen worden, ergo wanderten die Deutschen aus. Die Siedlungsgeschichte der deutschstämmigen Kolonisten erstreckte sich gesamt von 1840 bis 1940 über einhundert Jahre. Im Verlauf dieser Zeit bildete sich die Volksgruppe der Dobrudschadeutschen. Mit dem Vertrag von Craiova änderte sich die Lage.

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