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Rumänien-Blog


Hafen, Strand und Dichter: Constanța, die Stadt am Meer

Seit der finalen Klärung der territorialen Verhältnisse gehört der nördliche Teil der historischen Region Dobrudscha heute zu Rumänien und umfasst zwei Verwaltungskreise (rumänisch: Județe): den Județ Tulcea im Norden, den Județ Constanța im Süden der Dobrogea de Nord. Beide Kreise sind nach ihren jeweils zentralen und größten Städten benannt. Letztere liegt direkt am Meer.

Über den Donau-Schwarzmeer-Kanal (rumänisch: Canalul Dunăre-Marea Neagră) erreichen Schiffe quer durch Europa die Hafenstadt Constanța (deutsch: Konstanza oder Konstanz) am Schwarzen Meer. Über den neuen Großhafen Agigea verfügt sie über eine direkte Anbindung zur Donau und damit zu zahlreichen mitteleuropäischen Hafenstädten bis nach Rotterdam, welches eine wichtige Partnerstadt ist. Die meisten der weltweit dreißig (!) Partnerstädte Konstanzas sind bedeutende Hafenstädte. Als größter Hafen am Schwarzen Meer verzeichnet Constanța einen jährlich steigenden Warenumschlag. Die Stadt am Meer ist aber auch für Strandliebhaber ein Anziehungspunkt, da die Badeorte Mamaia, Eforie und Techirghiol in der Nähe liegen. Mamaia, der nördlichste Stadtteil Constanțas, blühte hauptsächlich ab der 1960er bis in die 1980er Jahre. Die rumänische Schwarzmeerküste war – neben der bulgarischen – eine der wenigen Optionen zum sommerlichen Badeurlaub für Touristen aus Osteuropa. Aufgrund der für westliche Verhältnisse sehr niedrigen Preise boten ab Mitte der 60er Jahre auch bundesdeutsche Veranstalter Pauschalreisen nach Mamaia an. Dem rumänischen Staat bot sich eine gute Einnahmequelle für Devisen, es wurde rege gebaut. Infolge der Revolution 1989 kam es – nicht nur für die Badeorte – zur touristischen Zäsur: Die Besucherzahlen, vor allem aus dem westlichen Ausland, gingen stark zurück. Einige Jahre später begann der Staat, die Hotels zu verkaufen. Ende der 1990er kam es zu einem erneuten Aufschwung, bis 2005 wurde die Hafenstadt von acht deutschen Flughäfen direkt angeflogen. Der touristische Hype währte jedoch nur relativ kurz. Heute sind es fast ausschließlich rumänische Urlauber, die dort in den Sommermonaten baden gehen. Da vollständig auf den Tourismus ausgerichtet, ist der Stadtteil im Winter nahezu unbewohnt. Die Stadt Konstanza hat aktuell gesamt etwa 300.000 Einwohner. Gegründet wurde sie bereits im 7. Jahrhundert vor Christus von den Griechen. Ab dem 8. Jahr nach Christus wiederum lebte dort der aus Rom verbannte Dichter Ovid im Exil. Die Gründe seiner Verbannung durch Kaiser Augustus sind nicht eindeutig geklärt. Gut schien es Ovid in der Stadt am Meer nicht zu gehen, in den Jahren vor Ort schrieb er in erster Linie Trauerelegien in Briefform. Dennoch ist sein Abbild heute in Form des Ovid-Denkmals auf dem Ovid-Platz vor dem Geschichtsmuseum zu bewundern. Anders verhält es sich mit Mihai Eminescu, der als der rumänische Dichter des 19. Jahrhunderts gilt – und der ebenso als Statue in der Stadt steht. Als er das Schwarze Meer (rumänisch: Marea Neagră) erstmals sah, soll er sich umgehend in seinen Blick verliebt und begonnen haben, verschiedene Versionen von Liebesgedichten darüber zu schreiben. In den 1930er Jahren errichtete man eine Eminescu-Statue, die ihn mit Blick zum Meer zeigt. Die beiden Männer stehen nun 700 Meter voneinander entfernt auf ihren Sockeln, wobei Ovid in Gänze und Eminescu als Büste aufs Meer blickt. Letzterer befindet sich trotz körperlicher Unvollständigkeit in Gesellschaft einer antiken weiblichen Muse.

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