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Rumänien-Blog


Goldene Zeiten im Westend: die Geschichte Orășties

Broos (rumänisch: Orăștie) liegt gute 100 km westlich von Hermannstadt (rumänisch: Sibiu) entfernt, ist mit guten 18.000 Einwohnern die kleinste im Bunde der sieben  Namensgeberinnen Siebenbürgens – welche wir bald allesamt bereist haben werden – und zudem die westlichste. Letzteres ist nicht im übertragenen Sinn zu verstehen, sondern eine geografische Tatsache, die der Stadt die Position eines „Vorpostens” des historischen Königsbodens verlieh. Eine Tatsache, die ab dem 13. Jahrhundert durchaus relevant war.

Wie Mühlbach (rumänisch: Sebeș) befindet sich Broos im sogenannten Unterwald, der auch in diesem Fall kein Waldgebiet ist, sondern auf dessen Lage unterhalb der bewaldeten Karpatenhänge verweist. Mit dem „Goldenen Freibrief” – ausgestellt vom ungarischen König Andreas II, so lautet der Zweitname des Schriftstücks auch Andreanum – brachen für Orăștie ab 1224 goldene Zeiten an. Denn besagter Brief war die Urkunde, welche den Siebenbürger Sachsen einen rechtlichen Sonderstatus verlieh und das im weitreichendsten Umfang, der deutschen Siedlern in Osteuropa jemals gewährt wurde. Im Schriftstück heißt Broos alias Orăștie noch Waras, was ein lateinischer Name ist, und wird als westlichster Punkt des Königsbodens benannt. Der Königsboden wiederum ist ein historischer Regionsname, der ab Mitte des 19. Jahrhunderts seine Bedeutung für Gegenwart und Zukunft verlor, ab dem 12. Jahrhundert aber für die besondere Rechtslage des Gebiets im Mittelalter steht. Vom ungarischen König angeworben, erschlossen deutsche Siedler seit Beginn des 12. Jahrhunderts das bis dato dünn besiedelte Gebiet, welches zusammenhängender königlicher Besitz war. Die Siebenbürger Sachsen waren somit dessen Untertanen, wurden aber mit Privilegien und Sonderrechten ausgestattet, die an ein Autonomiestatut heranreichten. Unter diesen goldenen Voraussetzungen gründeten sie ihre ältesten Städte, eine davon Orăștie, am Westrand des Sachsenlandes gelegen, welche als Verwaltungsort zu einem der historischen Sieben Stühle des Königsbodens wurde. Letztere waren Verwaltungseinheiten, die man in der Gegenwart als Gebietskörperschaften bezeichnen könnte. Broos war im Mittelalter ein wichtiges Handwerkerzentrum, vor allem der Schmiede- und der Kürschnerzunft. Doch auch für die auf dem Königsboden frei lebenden Rumänen war die Stadt geistlich wie kulturell ein wichtiger Ort: So wurde hier 1582 die erste rumänische Übersetzung des Alten Testaments gedruckt.

Bereist man die Stadt heute, gibt es Sehenswürdigkeiten aus der Historie zu bestaunen, allen voran nicht wenige Kirchen – die meisten von ihnen stehen unter Denkmalschutz. Beeindruckend vor allem die Kirchenburg: Innerhalb der Mauern stehen die Kirchen der evangelischen und die der reformierten Gemeinde nebeneinander. Erstere wurde erst 1820 aufgebaut, Letztere wurde als romanische Basilika errichtet, zwei Jahrhunderte später aber in eine gotische verwandelt. 1999 ernannte die UNESCO sechs befestigte Anlagen der Daker in den Bergen Orășties zum Weltkulturerbe. Das Volk der Daker besiedelte seit etwa dem 5. Jh. v. Chr. das Gebiet Siebenbürgens. Es gibt jedoch auch Historiker, die der Ansicht sind, die Rumänen stammten nicht von diesen ab. Im Zentrum Orășties steht dennoch die Statue von Burebista, dem ersten König der Daker.

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