Jenica Schneider | Cranachstraße 16 | 90408 Nürnberg | Sie erreichen mich unter: +49 (0)911-247 66 30 (09 bis 17 Uhr)

Rumänien-Blog


Parteien mit Geschichte: PNL und PSD II

In der Historie der Nationalliberalen Partei Rumäniens (rumänisch: Partidul Național Liberal) kam es immer wieder zu massiven internen Konflikten und Abspaltungen radikaler Flügel. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg standen sich zwei rivalisierende politische Lager gegenüber, jeweils angeführt von Bebe Brătianu und Gheorghe Tătărescu.

Im Dezember 1944 gründete Gheorghe Tătărescu eine eigene Nationalliberale Partei, die Partidul Național Liberal-Tătărescu, was wiederum den Ausschluss seiner Anhänger aus der Partei Bebe Brătianus zur Folge hatte. Tătărescu schloss sich als Nicht-Kommunist der kommunistisch geführten Koalitionsregierung Petru Grozas an. Dieser war von 1945 bis 1946 durch König Michael I. von Rumänien (rumänisch: Mihai I.) ernannter, von 1947 bis 1952 gewählter Ministerpräsident Rumäniens. Tătărescu wurde Vizepremier und Außenminister. In letzterer Position unterzeichnete er im Februar 1947 in Paris den Friedensvertrag mit den Alliierten. Da sich Ministerpräsident Groza zunehmend der Rumänischen Kommunistischen Partei (rumänisch: Partidul Comunist Român, PCR) und der Sowjetunion annäherte, wurden nicht-kommunistische Politiker fortlaufend aus der Regierung gedrängt, darunter Gheorghe Tătărescu, der sich gegen die kommunistische Reorganisation Rumäniens gestellt hatte. Ende 1947 zwang ihn ein Misstrauensvotum des Parlaments zum Rücktritt, auch als Parteichef. Er wurde zunächst unter Hausarrest gestellt, danach im Sighet-Gefängnis inhaftiert. Infolge einer Amnestie wurde er 1955 von dort entlassen. Constantin C. Ion Brătianu, genannt Bebe (= Baby) Brătianu, der parteiinterne Gegenpol zu Tătărescu, hatte sich der kommunistischen Koalitionsregierung nicht angeschlossen. Mihail Romniceanu, ein Parteifreund Brătianus war 1946 für einige Monate in die Regierung eingetreten, Ende des Jahres unterlag die Brătianu-Partei jedoch in den Wahlen der Tătărescu-Partei. 1947 wurde sie schließlich verboten. Im November 1947 flog die Tătărescu-Partei aus der Regierung, was zu ihrer formalen Auflösung im Januar 1948 führte. Petre Bejan startete 1948 nochmals einen Versuch der Wiederbelebung der Nationalliberalen. Trotz Zulassung seiner Partei blieb diese ohne Bedeutung und wurde nach kurzer Zeit wieder aufgelöst. Mitglieder der Partidul Național Liberal wurden verfolgt, in besagtem Sighet-Gefängnis inhaftiert oder zu Zwangsarbeit verurteilt. Einige Nationalliberale schafften die Flucht ins Exil. Zu den Inhaftierten gehörten neben Gheorghe Tătărescu auch Petre Bejan und Bebe Brătianu. Letzterer war unter anderem wegen seiner Verbindungen zu deutschen Nazi-Funktionären während des Zweiten Weltkriegs verhaftet worden. Er starb kurz nach seiner Entlassung 1955. Mit Beginn der kommunistischen Herrschaft begann eine jahrzehntelange Phase des Verbots bzw. der Nicht-Existenz der PNL. Das ehemalige Sighet-Gefängnis ist heute eine Gedenkstätte, das Memorial Sighet, für die Opfer des rumänischen Kommunismus und des antikommunistischen Widerstands. Sie befindet sich in Sighetu Marmației, im Norden Rumäniens an der Grenze zur Ukraine. Die Initiative zur Etablierung des Memorials ging 1993 von der Schriftstellerin und politischen Aktivistin Ana Blandiana aus. Zehn Jahre lang wurde die Gedenkstätte, auch gegen Widerstand seitens der postkommunistischen Regierung, eingerichtet und steht heute unter der Schirmherrschaft des Europarats in Straßburg.

Zurück