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Rumänien-Blog


Dunkler Zwilling: Vom Wohnhaus zum Museum II

Das Muzeul de Arta Recenta, kurz MARe und Museum aktueller Kunst, wurde 2018 eröffnet. Es zeigt junge rumänische Kunst aus der Sammlung Roger El Akourys. Die letzte Eröffnung eines Privatmuseums in Rumänien lag zu diesem Zeitpunkt 108 Jahre zurück. Im Stil eines griechischen Tempels erbaut, zeigte dieses die Kunstsammlung Anastase Simus. In den 1960er Jahren ließ das kommunistische Regime den Kunsttempel abreißen.

Wie im letzten Blog nachzulesen, stand auch dem ehemaligen Wohnhaus Ana Paukers alias Madame Stalin der Abriss bevor. Kunstsammler Roger El Akoury, der es 2007 gekauft hatte, und Architekt Youssef Tohme, der es zunächst zum Museum umbauen wollte, hatten feststellen müssen, dass die Bausubstanz diesem Plan nicht standhalten würde. Von einem griechischen Tempel ist der Neubau des Muzeul de Arta Recenta stilistisch weit entfernt: Tohme baute einen dunklen Zwilling des Vorgängergebäudes, der nicht einfach an gleicher Stelle, sondern über einem lichtdurchfluteten Erdgeschoss aus Glas steht. Der Gebäudekörper aus schwarzen Backsteinen scheint zu schweben und ist zugleich hermetisch geschlossene Masse. Eine Kopie des alten Wohnhauses inklusive seiner Fensteröffnungen, die jedoch zugemauert wurden. Die alte Hülle wird zu einer skulpturalen neuen, die in ihrem Inneren nun jüngere rumänische Kunst beherbergt. Die hermetische Geschlossenheit des Gebäudes müssen Besucherinnen und Besucher, abgesehen vom Erdgeschoss, auch beim Gang durchs Museum aushalten. Mit Ausnahme einiger Ausstellungswände ist das fensterlose Innenleben ebenso in Schwarz gehalten. Erst auf der Dachterrasse gibt es wieder reichlich Tageslicht. Bewegt man sich zurück nach unten bis in den Keller, ist im ehemaligen Bunker Madame Stalins das Auditorium für Veranstaltungen zu finden. Roger El Akoury war auf dem Hintergrund des Bürgerkriegs in seinem Heimatland, dem Libanon, nach Rumänien gekommen und beschäftigte sich dort mit der jüngeren Kunst und Kultur. 2012 hatte er sein erstes rumänisches Kunstwerk gekauft und begonnen, seine Sammlung aufzubauen. Schon sechs Jahre später machte er sie in seinem Museum der rumänischen Öffentlichkeit zugänglich. In einem Museum, das mit seiner Architektur eine kongeniale Verknüpfung schafft zwischen der jüngeren Geschichte Rumäniens und seiner Kunst. Ein Ort, an dem zahlreiche komplexe Themenfelder zusammenlaufen. Roger El Akourys Sammlung besteht aus über fünfhundert Werken rumänischer Künstler und Künstlerinnen seit 1945, wobei der Schwerpunkt auf Kunst nach 1965 liegt. Letztere wird in der Dauerausstellung des Museums gezeigt. Direktor des MARe, Muzeul de Arta Recenta, ist Erwin Kessler. Der rumänische Kunsthistoriker und Philosoph leitet das Museum seit der Eröffnung am 08. Oktober 2018. Laut Kessler ist das Jahr 1965 ein Wendepunkt in der rumänischen Kulturpolitik, da seitens dieser auf das Dogma des Sozialistischen Realismus verzichtet und stattdessen Diversität propagiert wurde. Der Sozialistische Realismus war von der Sowjetunion ausgehend, die, beginnend mit einem Beschluss des Zentralkomitees der KPdSU (Kommunistische Partei der Sowjetunion) vom April 1932, in allen Ostblockländern vorherrschende Stilrichtung der Kunst. Das Fehlen von Abstraktion und eine starke Wirklichkeitsnähe in der Malerei dienten in erster Linie einem Arbeiter- und Arbeitskult im Zuge des Aufbaus der kommunistischen Gesellschaft.

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