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Rumänien-Blog


Geboren in Bukarest: Töchter der Stadt

Das Jahr 2024 im Blog begann mit der Vorstellung der rumänischen Schriftstellerin Elena Ghica, bekannt unter ihrem Künstlerinnennamen Dora d’Istria, entdeckt als eine der beiden Frauen auf der Liste von Söhnen und Töchtern der Stadt Bukarest (rumänisch: Lista fiilor și fiicelor orașului București), geboren zwischen den Jahren 1801 und 1880. Wir bleiben zunächst beim Blick auf die Töchter und lernen Elena Văcărescu kennen.

Elena Văcărescu und Elena Ghica hatten nicht nur den gleichen Vornamen. Beide wurden im 19. Jahrhundert in Rumäniens Hauptstadt București geboren, beide waren jeweils Töchter eines Bojaren (Adeliger unterhalb des Ranges eines Fürsten), was das Privileg einer anspruchsvollen Ausbildung nach sich zog. Die – 36 Jahre nach Ghica – im Jahr 1864 geborene Văcărescu lernte Englisch und Französisch und studierte in den 1880er Jahren an der renommierten Universität von Paris (französisch: Université de Paris), der Sorbonne, Französische Literatur sowie Philosophie, Ästhetik und Geschichte. Zusätzlich besuchte sie Kurse in Poesie, geleitet vom französischen Schriftsteller und Philosophen Sully Prudhomme. Letzterer war erster Preisträger des Nobelpreises für Literatur, welche die Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm 1901 erstmals vergab. 1888 war Hélène Văcărescu, wie sich Elena in Frankreich nannte, literarisch bereits so erfolgreich, dass die damalige Königin Rumäniens, Elisabeth, auf sie aufmerksam wurde und sie in den Königspalast nach Bukarest einlud. Elisabeth zu Wied, die durch Heirat mit dem späteren König Carol I zur Königin geworden war, hatte selbst schriftstellerische Ambitionen. Sie schrieb schon als Mädchen Gedichte. Als dichtende Königin verfasste sie unter dem Pseudonym Carmen Sylva weiter Gedichte sowie Erzählungen, Märchen und Romane – und übersetzte diese aus dem Französischen ins Deutsche, ihre Muttersprache. Im Königlichen Schloss (rumänisch: Palatul Regal), das heute das Nationale Kunstmuseum Rumäniens (rumänisch: Muzeul Național de Artă al României) beherbergt, etablierte sich Hélène Văcărescu als Hofdame Königin Elisabeths. Gemeinsam unternahmen sie zahlreiche Reisen – nach Deutschland, Österreich, Großbritannien, Spanien, Portugal, Russland und Serbien. Nachdem sie sich in einen Neffen König Carols I verliebt hatte, der sie aber nicht heiraten durfte, da er nicht nur Neffe, sondern zugleich Thronfolger war – die damalige rumänische Verfassung verbot es diesem, eine Einheimische zu heiraten – ging sie nach Paris ins Exil. Die Königin musste das Königreich ebenso verlassen, da sie die Liaison der beiden gutgeheißen hatte, was wiederum zum Bruch mit ihrem Ehemann führte. Offiziell wurde sie zudem als geisteskrank diffamiert. Sowohl der König als auch sein Thronfolger gingen aus dem vertuschten Skandal unbeschadet hervor: Letzterer heiratete eine andere. So zeigt sich in den Biografien Văcărescus und der Königin mehr als deutlich die Kluft in der Position von Frauen und Männern im Rumänien des 19. Jahrhunderts, und nicht nur dort. Dies führt zurück zu Elena Ghica alias Dora d’Istria, die sich mit ihren Werken und Publikationen bereits Jahrzehnte zuvor für die Gleichstellung von Männern und Frauen engagierte. In Paris veranstaltete Hélène Văcărescu einen erfolgreichen Literarischen Salon. Einige ihrer Artikel wurden in französischen Zeitschriften veröffentlicht, unter anderem in der renommierten Revue des deux mondes. Auch Dora d’Istria hatte dort geschrieben.

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